ALT WERDEN oder Erinnerungen sterben nie

Es gibt in meinem WICHTIG-Kästchen einen kleinen Zeitschriftenartikel aus einer Frauenzeitschrift, ich schätze ihn mal so um die 20-25 Jahre alt. Er ist schon etwas vergilbt und verknittert, da ich ihn doch öfter mal in die Hände nehme. Ich kenne den Verfasser nicht und hoffe, daß ich nicht gegen ein Copyright verstosse. Mir persönlich bedeutet dieser Artikel sehr sehr viel, und ich möchte ihn Euch einfach mal lesen lassen, und im Anschluss ein wenig über meine Gefühle dazu schreiben.

Das ist der Artikel:

Ja, in den letzten vier, fünf Monaten waren ihre Schritte

immer tapsiger geworden. Sie war zusehends kleiner geworden,

war auf jede erdenkliche Hilfe, jeden Handgriff angewiesen.

Es war dieses angewiesen sein, daß Mutter und mich sehr

nahebrachte erzählte mir Ruth nach dem Tod ihrer

hochbetagten Mutter. Dabei habe es auch andere Zeiten

gegeben. Jahre bei denen es hauptsächlich bei

Telefongesprächen blieb, wir hielten uns auf dem Laufenden.

Jeder machte eben seins, wenn man jung ist,

denkt man doch nicht an das Altern der Eltern!

Ich mußte meiner Freundin Recht geben.

Wie egoistisch ist man doch, wenns ums eigene Leben geht.

Ja, es hat für mich viele Stunden gegeben, da hörte ich

Vaters Geschichten zum x-ten mal, fand seine Wiederholungen

fast unterträglich  – wie oft brannte mir ein

Vater, das kenn ich doch schon” auf den Lippen.

Eltern, wenn sie nicht mehr da sind, wenn wir Abschied nehmen

mußten, erst dann spüren wir, wieviel sie uns bedeuteten,

wieviel sie in ihrem Leben für uns getan haben,

SELBSTLOS!

Nun, sagte Ruth, hat  Mutter mir ein Geschenk hinterlassen:

Ihre Erinnerungen, mit denen sie zu Lebzeiten

meine Geduld oft auf die Probe gestellt hatte.

DABEI SIND ES GERADE ERINNERUNGEN, DIE NIE STERBEN

 

 

So wie es hier beschrieben wird, war es bei uns nicht. Ich bin immer gerne und regelmäßig zu meinen Eltern gegangen, wenigstens einmal wöchentlich seit 1995. Damals lebte mein Paps auch noch und so fuhr ich Mittwochs nach der Arbeit immer für ein zwei Stündchen auf Kaffee (und manchmal Kuchen) dort vorbei. Seit 2004 lebt mein Vater nicht mehr, und meine Mum wurde mit seinem Tod sehr sehr schlecht fertig, was ja auch mehr als normal ist. In den 8 1/2 Jahren seit seinem Tod hat sich viel verändert, sie baut stetig immer immer mehr ab. Unser MamaTag ist dafür viel länger geworden und hat lieb gewordene Rituale.

Besonders in den letzten Monaten stelle ich das immer mehr fest und es tut so weh. Der körperliche Abbau, klar, mit 87 gehen die wengisten noch „aufrecht“ durchs Leben oder joggen jeden Tag noch ein wenig 😉 Aber wenn ich sehe wie mühsam sie sich mit ihrem Rollator nur von einem Zimmer ins andere bewegt, das tut so weh. Und seit kurzer Zeit funktioniert auch das Gedächtnis nicht mehr so wie bisher. Ich denke daß es eine ganz „normale“ Altersvergesslichkeit ist, nein, ich hoffe es.

Und es fordert auch mir ein bisschen was ab, denn daran muß man sich erst gewöhnen und sollte auf gar keinen Fall ungeduldig sein. Und daran arbeite ich, muss ich arbeiten. Wie oft kommt es nun vor, daß sie was fragt, was ich ihr schon 3,4 oder 5 x erklärt habe. Wenn ich dann sage, darüber haben wir doch schon einige Male gesprochen, merke ich wie sie förmlich nach Erklärungen oder „Ausreden“ sucht. Dann sind wieder Tage die fast normal sind. Manchmal denke ich daß es auch was mit ihren Medikamenten zu tun hat, sie nimmt dreimal täglich Mor…. Tabletten und manchmal, wenn die Schmerzen sehr stark sind, auch noch dreimal ein anderes, aber vom Doc verordnetes Medikament.

Ich mache mir so viele Gedanken um sie, freue mich immer wenn wir in Erinnerungen schwelgen, wenn ich da bin oder am Telefon. Vor 3 Monaten fragte ich sie mal, was denn mit dem Buch ist, was sie 2010 von uns zu Weihnachten bekommen hat. Sie hat schon ein bisschen was geschrieben, aber nicht viel meinte sie. Ich bat sie einfach, doch ab und zu mal wieder einen Satz dort zu schreiben und ihre Bedenken, daß ihre Schrift zu krakelig geworden wäre, wischte ich beiseite und sagte ihr, und wenn du auch durchstreichst oder sowas, nicht schlimm, es ist doch für mich, es sind meine Erinnerungen wenn du mal nicht mehr bist. 2 Wochen später und nochmal zwei Wochen später kam immer wieder die Antwort mach ich bald. Ich habe aufgegeben zu fragen. Vor 14 Tagen meinte sie dann, du, im Wohnzimmer auf dem Sofa liegt das Buch, ich hab auch schon geschrieben, aber nicht reingucken. Ich versprach es ihr, denn dieses Buch will ich erst in die Hände nehmen, wenn…………………….. 😦

Eine kleine süße Episode am Rande: Meine Mama macht den besten Kartoffelsalat ever. Egal ob das andere auch behaupten, ihrer ist der Beste!!!! 😉 Am Mittwoch haben wir nach Ewigkeiten mal wieder welchen gemacht, sie wollte unbedingt wissen, ob sie es noch kann. Und JA, sie kann es noch. Am nächsten Morgen dann bei unserem Telefonat: Du, ich hab dir das Rezept für den Kartoffelsalat mit in das Buch geschrieben, damit du genau weißt, wie es geht, wenn ich mal nicht mehr da bin, hast du keinen mehr zum Fragen. Ist das nicht süss?

So und nun komm ich zum Schluss, ich könnte noch so viel schreiben. Über Sorgen, Ängste und so weiter. Aber es ändert ja nichts, das ist halt das Leben und man soll und muss es so nehmen wie es ist und wie es kommt. THAT’S LIFE DSC00702

11 Kommentare zu „ALT WERDEN oder Erinnerungen sterben nie

  1. Schön das du so ein inniges Verhältnis zu deiner Mutter hast. Ich wünsche dir, das du noch viele schöne Tage mit ihr verbringen kannst. Ein schönes und frohes Osterfest wünsche ich dir . L.G.Ludger

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  2. *schnief* so schön geschrieben, schöne Gedanken …

    ich mag auch nicht daran denken, was wäre wenn… ich habe meine Eltern noch … wir sehen uns viel zu selten, gerade jetzt zu Ostern sind beide krank geworden … ich telefoniere jeden Tag mit Ihnen… am Liebsten wäre mir wenn sie hier in meine Stadt ziehen… weil ich sie auch über alles liebe 😉

    Lg TB

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  3. Wenn man etwas verloren hat, beginnt man oft erst deren Wert zu schätzen.

    So sind wir Menschen.
    Die Geschichte stimmt nachdenklich, doch ich bin da Egoist und schiebe das einfach Beiseite.

    Noch geht es meinen Eltern gut und ich weiss,
    das kann sich natürlich schnell ändern.

    Jeder macht mal schwierige Zeiten durch und das wichtigste ist doch, das man immer wieder zu einander findet.

    Ich habe meinen Eltern vor Jahren für meine gute Erziehung
    und für alle Hilfen die ich auch später noch bekam gedankt.
    Sie sollten einfach wissen das ich ich lieb habe und sie schätze und dankbar bin.

    Mein Mann hat das bei seinen Eltern versäumt, darüber ist er traurig.

    Ich habe meine Mutter gebeten einige Rezepte auf zu schreiben,
    doch sie schafft das scheinbar mit dem halbblinden Auge nicht mehr.
    Irgendwie muss ich mal gucken, ob ich nicht eine Lupe finde, die eine beträchtliche Grösse hat, damit sie auch anständig die Zeitung lesen kann.
    Ich sollte nach unserem Umzug einfach mal ein paar Tage zu ihnen fahren…

    Sei ♥-lich gegrüsst und ich wünsche euch frohe Ostern
    kkk

    Wie geht es deinem Gatten?

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  4. Ich weiss grade nicht was ich sagen soll. Aber ich erinnere mich dass du vor einiger zeit Bilder eures gemeinsamen keksebackens gepostet hattest und war da nicht auch noch was mit stricken ?
    Die Idee mit dem buch finde ich auch toll. Und vor allem dass sie dir für alle Fälle „ihr“ Rezept reingeschrieben hat.
    Auch musste ich an meine schwer demente Schwiegermutter denken beim lesen hier…..ich glaube ihr beide geniesst noch jede minute zusammen und das freut mich sehr. Auch dass ihr euch so nahesteht ❤
    Ich habe seit ca 20 jahren keinen Kontakt mehr zu meiner Mutter. Die ersten jahre war es sehr sehr schwer aber inzwischen geht es. Wir haben uns seitdem zweimal gesehen und sie tut als ob es diese 20 jahre bzw den grund für diese kontaktlose zeit nie gab :-/

    Ich wünsche euch beiden ein schönes ruhiges Osterfest. GLG Elke
    Ich wünsche euch noch

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  5. Jetzt sitze ich hier und mir kommen die Tränen. Meine Mama ist schon vor 5 Jahren verstorben und ich wünschte, ich hätte ihr damals auch so ein Buch geschenkt. Habe inzwischen aber eines zu Hause liegen, was einmal meine Tochter bekommen soll (die Seiten sind aber noch leer…..). Heute hege und pflege ich die handgeschriebenen Koch- und Backbücher von ihr und würde sie niemals aus den Händen geben und trotzdem schmeckt es bei mir nie so gut wie bei bei meiner Mama.
    Genieß die Zeit, die Du noch mit Deiner Mutter hast. Ich weiß ja nicht, wie weit Deine Mutter von Dir entfernt wohnt, aber vielleich kannst Du den wöchentlichen Besuch ja auf 2 Tage ausdehnen. Ich weiß – oft fehlt die Zeit aber im Nachhinein wirst Du es nicht bereuen.

    Ich wünsche Dir und Deiner Familie ein schönes Osterfest
    LG Susanne

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  6. Liebe Doro, wie liebevoll und schön du das geschrieben hast.
    Ach ja, meine Mutter war dement. Als wir sie besuchten, hatte unsere kleine Tochter einen dunkelblauen Pullover an mit weißem Abschluss an Hals, Ärmeln und unten.
    Da meinte sie: Dein Hemd guckt raus!
    Das fanden wir so wunderbar. Da hatte sie eine klare Minute. Das tat so gut.
    Oder auch an dem Tag, hatte unsere Tochter ihren Monchi dabei. Den gab sie ihr. Das tat ihr richtig gut. Dann überlegten wir, im Auto haben wir noch einen Elefanten, den können wir ihr geben, den kann sie behalten. Also holte mein Mann ihn. Also den Montchi weggenommen: den braucht unsere Tochter in Griechenland.
    Und ihr den Elefanten gegeben.
    Beim Abschied wollte sie den wiedergeben: den braucht sie doch in Griechenland.
    Aber er blieb da, und wir wissen, dass sie ihn oft in den Händen gehalten hat.
    Wir haben ihn auch nach ihrem Tod dagelassen für andere, die sich nicht mehr gut bewegen können….

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  7. Liebe Doro, auch mich hat Dein post sehr bewegt, und ich möchte mich meinen Vorkommentierern anschließen und Dir raten, einfach die kommende Zeit mit Deiner Mutti zu genießen und fest zu halten. Die Idee mit dem Buch ist bombig. Ich habe auch noch einige Rezepte meiner Mutti im Original, auf meistens irgendwelches doofes Papier geschrieben, teilweißé sogar nur mit Bleistift. Aber jedes Mal, wenn ich etwas nachkoche, sehe ich sie vor mir, als wäre sie noch unter uns. So etwas muss man bewahren. LG und noch einen schönen Ostersonntag – Elke, die 2.

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  8. …meine Eltern werden sterben, ohne mich noch mal vorher gesehen zu haben. Zuletzt sah ich sie um 2000 rum….und dann wurde alles anders. ES wurde nicht anders, nur ich, ich hab mich abgegrenzt, ganz klar….

    Ich grüße dich ganz lieb, Luiserl ♥

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  9. Es wärmt das Herz deine Zeilen zu lesen liebe Doro.
    Wie liebervoll du schreibst.

    Ich habe leider meine Mom in sehr jungen Jahren verloren.
    Sie starb viel zu früh. Deshalb bin ich auch nach Schweden
    ausgewandert. Aber sie ist nach wie vor ganz fest in meinen Herzen.

    Danke für deine Zeilen.

    Liebe Grüsse, Elke

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  10. Liebe Doro, mir geht es wie dir. Ich denke auch oft mit Sorge an später. Noch sind sie zu zweit, aber die Gesundheit ist nicht so besonders stabil. Wir sollten wirklich die Zeit nutzen so gut es geht. Die anderen haben wirklich schon viel Weises dazu gesagt.

    Wir können uns glücklich schätzen, dass wir so guten Kontakt zu den Eltern oder der Mutter haben. Nicht alle haben das Glück. In manchen Familien ist auch viel Unschönes oder gar Schlimmeres passiert. Und dann finden Kinder und Eltern nicht mehr zusammen. Wie traurig, aber sicher nicht grundlos.

    Ich wünsche dir noch viele schöne Erlebnisse mit deiner Mama und sammle die Erinnerungen wie kleine wertvolle Perlen. Das tue ich auch. Wir fahren im Sommer gemeinsam in die alte Heimat meiner Mama, damit sie mir alles nochmal genau zeigen und erklären kann, was wo wie…. usw.

    Alles Liebe

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